Adjutant vom Dienst: Boyen, Leopold Hermann von
Seine Majestät gingen um 8 ½ Uhr in der Richtung von Baden her, in der
Lichtenthaler Allee spatzieren, als ein junger, scheinbar einige 20
Jahre alter Mensch, von hinten kommend, an dem König vorbeiging und Ihn
auf so besonders ehrfurchtsvolle Weise grüßte, daß es dem Könige
auffiel. Bald nach dem der Fremde so vorübergegangen, verkürzte er seine
Schritte und ließ nun den König an sich vorbei, wobei er abermals sehr
freundlich grüßte. Wenige Minuten später begegente der König Seinem
Gesandten Grafen
Flemming und nahm
ihn als Begleiter mit, daß ein dritte Person folge, ist von den lezteren
zwar bemerkt, indeß nicht besonders beachtet worden. Etwa 200 Schritt
jenseits der großen Kettenbrücke fielen hinter |
Seiner Majestät 2 Schüsse aus solcher Nähe und in so schneller Folge,
daß der König, an Folge der Detonation, sofort ein starkes Dröhnen des
Kopfes empfand und später nicht anzugeben wußte, ob ein oder zwei
Schüsse gefallen seien. Gleichzeitig fühlte Er einen brennenden Schmerz
an der linken Seite des Halses, so daß er mit der linken Hand nach der
schmerzenden Stelle griff. Der König drehte sich um und sah etwa 3
Schritt hinter sich einen Menschen stehen in dem Er sofort den bereits
erwähnten Mann erkannte. Gf. Flemming fragte denselben, ob
er geschossen und als er mit – ja – antwortete
und hinzufügte, er habe auf den König geschossen, indem er auf ein in
das Gras geworfenes, abgeschossenes doppel Pistol zeigte, ergriff ihn
Gf. Flemming bei der Halsbinde, während einige andere gleichfalls
inzwischen hinzugekom̅ene Personen mit Hand an den Verbrecher legten.
Derselbe ward dabei momentan zu Boden geworfen, indem einer der
Anwesenden äußerte, daß das Volk selbst diese Schmach rächen müsse.
Oscar
Becker Student in
Leipzig, Sohn eines Deutschen, der in
Odessa etablirt und im Schulfach den
Titel Staatsrath erhalten hat. Der Mörder ist am 13, Abds in Baden
angekommen u hat an verschiedenen Stellen Erkundigung über die
Person des Königs u Seine Promenaden eingezogen. Es wird auch
bei dem p. Becker ein Schriftstück aus
Baden dat. 13
t Julÿ gefunden, worin er
ausspricht, der König habe zwar gute Eigenschaften, sei indeß nicht
geeignet die Einigung Deutschlands durchzuführen und er wollte Ihn
deshalb töten. Der König bat die Herren, dem Verbrecher
Nichts zu Leide zu thun und ertheilte dem Grafen Flemming den Auftrag,
denselben in Begleitung einiger der gegenwärtigen Herrn in einem Fiaker
dem
Konrad Karl Kuntz
[Schließen]Stadt Direktor zuzuführen, was in |
kurzer Zeit und ohne
Zwischenfall vollzogen worden ist. Seine Majestät wurden nun aufmerksam
gemacht, daß der Rockkragen und die Halsbinde sehr sichtlich beschädigt
seien; Sie überzeugten Sich leicht, daß Sie durch die Kugel des Mörders
allerdings getroffen, indeß nicht wesentlich beschädigt seien, setzten
Ihren Weg nunmehr allein gegen Lichtenthal fort, um Ihrer Majestät der
Königin zu begegnen und kehrten,
nach der Vereinigung mit Derselben, langsamen Schrittes nach Baden
zurück. Seine Majestät waren außerordentlich ruhig und richteten an die
erschreckt Entgegenreitenden beruhigende Worte. In der Wohnung
angekommen untersuchte der Leibarzt Dctr.
Lauer den König genau. Aeußerlich waren also auf der
linken Seite des Halses der Rockkragen von unten nach oben; von hinten
nach vorwärts ganz durchgerissen, darüber das Halstuch zum großen Theil,
indeß war die unterste Lage Zeug nicht durch; der Doppelt umgeschlagene
Hemdkragen hatte einen sehr sichtlichen und tiefen Eindruck, aber keinen
Riß und auf dem Halse des Königs fand sich unter dieser Stelle eine
Geschwulst, rothblau mit Blut unterlaufen, einen Thaler groß, |
¼ bis ½ Zoll hoch und hart. Die Haut war unverletzt,
Blut war also nicht geflossen. Der Puls war ruhig, das Allgemeinbefinden
zufriedenstellend. Es wurden Umschläge von Bleywasser und Arnika
verordnet. Der Tag verlief ohne besondere Erscheinungen in dem Befinden
des Königs. Ab 9 U. Fackelzug der Bürgerschaft, deren Repräsentanten der
König empfängt.